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Winfried Nussbaummüller

Form finden.
von Dr. Winfried Nussbaummüller

Schwer zu sagen, inwieweit Duchamps Ekel gegenüber dem manierierten Kunstsystem und sein inszeniertes Schweigen, das gern aus einer intellektuellen Distanz oder einem Spielwillen heraus erklärt wird, in einem Nahverhältnis gesehen werden kann zu Bella Angoras Verweigerung. In beiden Fällen wird von einem Nullpunkt aus argumentiert – einerseits vom Ende der retinalen Malerei und andererseits von dem des ausgelaugten Körpers und der Verweigerung des Kunstkampfes. So oder so führt das finale Statement auf Umwegen wieder zurück zur Kunst.

Wenn auch Bella Angoras Alias und ihre künstlerische Praxis vom Performativen und daher eindeutig von einem bestimmten Rollenverhalten sprechen, ist ihr „refuse to battle“ nicht Koketterie, sondern existentieller Natur. Als der Körper streikt, wendet sie die Künstlerin nolens volens den Basics zu: den grundsätzlichen Wertmustern und Zwängen, die eine Freiwilligkeit des Lebens ohnehin in Frage stellen lassen, sowie unsere permanente Suche nach Anerkennung, Liebe und Sexualität. Ausgehend vom Ich im Selbsttest befragt, bricht und demontiert Bella Angora die Konvention und findet Form, was sich selbst in der Zeichnung, dem leisesten Medium ihrer medialen Inszenierung ablesen lässt.

Für den Betrachter ist der Kanaldeckel, den Bella Angora im Kreis und im geometrischen Dekor der schwarzweißen Zeichnungen ihres „refuse to battle“-Zyklus (2008) zitiert, eine subjektive Projektionsfläche. Vielleicht interpretiert man diese aufgrund des beinah griechisch ornamental anmutenden Sternrasters als Schild, der einem vor dem ansteigenden Schmutzwasser oder einer anderen übel riechenden Bedrohung von unten schützt. Sieht man den Deckel als Portal, als Ventil oder diffundierende Schicht zu einer verborgenen, einer gewollt oder unbewusst verdrängten Welt, die jedoch genauso real ist wie die oberflächlich gesäuberten Postkartenbilder des Selbst, dann lesen sich auch die darauf versammelten Motive als Indizien einer bewussten Verbindung mit dem Leben. Vor dem Hintergrund des strahlenförmigen Rasters verbinden sich – durch eine gänzlich andere, nämlich auflösende Strichbehandlung – die figurativen Elemente: Das Mädchen verschmilzt mit dem Pferd in gleicher Weise wie im weniger idyllisch geschönten Gegenbild die Frau mit der Ratte.

Anstelle eines stupiden Festhaltens an einem fadenscheinig moralisch polarisierenden Wertekorsett plädiert Bella Angora hier bildsprachlich für eine Welt, in der sich das Innen und Außen durchdringen. Die im Zyklustitel anklingende Verweigerung eines Kampfes, der für Mensch und Künstlerexistenz gleich bedeutend sein mag, manifestiert sich im Werk als ein ganzheitliches Zeigen und Zulassen von Schau- und Kehrseiten. Anstelle der Bewertung rückt das offene Infragestellen von Wahrheiten und Werten: „Es geht um Erfahrungen, Erfahrungen als solche“.

Die Auflösung der Oberflächen, die Bella Angora in den schwarzweißen Zeichnung beginnt, erweitert sie in den rotweißschwarzen Arbeiten weiter und entwickelt dieses Prinzip schließlich mit den farbenfrohen Regenbogenzeichnungen ins bunte Extrem. Als Antithese zum Entweder-Oder eines vielleicht bedrohlichen Schwarzweiß ist nun plötzlich das ganze Spektrum der Farben und damit eine wunderbar frische Pop- und Hippie-Ästhetik präsent. Das Klima der 70er-Jahre mit ihrem Mut zu freier Liebe und Weltumarmung spiegelt sich in den nun noch offeneren, stärker aufgelösten Konturen und Binnenzeichnungen. Die Gesamtstruktur erinnert an Baumrinden und damit an etwas Organisches, etwas Gewachsenes, das den abgebildeten Menschen nicht als Konkurrenz, sondern als Teil des Naturganzen klarstellt.

In Bezug auf die Andockstellen für Wahrnehmung steht diese Werkgruppe in Analogie zur grotesken mixed media-Performance „soft, slow and sweaty“. Die griffigen Klischees einer gegenwarts entrückten Märchenwelt, mit denen Bella Angora dort arbeitet, erlauben ein ähnlich hohes Identifikationspotenzial wie die eso-getränkte Farbenvielfalt. Die Haut markiert die Grenze zwischen dem Innen und dem Außen. Ihre sichtbare Dekonstruktion demonstriert die Bereitschaft zu einer ideologischen Grenzauflösung. Auf der Suche nach Alternativen zum Egotrip eines auf Wettstreit ausgerichteten Kunst- und Karrieredenkens, erarbeitet sich die Künstlerin damit auch im Zeichnerischen eine Möglichkeit, mit der Formverschmelzung, gestalterisch ein im Umgang mit den eigenen Ressourcen vielleicht versöhnlicheres, heilendes Naturpotenzial abzurufen.

Mit den subtilen Handzeichnungen, die zur Werkgruppe „soft, slow und sweaty“ entstanden sind, geht das Pendel farblich zurück zur Reduktion. Im Unterschied zu den detailverliebten Arbeiten mit Tuschestift, in denen sich ein vielschichtiges, langsames Arbeiten und damit generell die Qualität der Verlangsamung abbildet, zeigt sich nun ein ganz weicher, locker gesetzter Bleistiftstrich. Ein rhythmisches Netz zarter Linen verdichtet sich zu Knöcheln, Mulden, Fingerkuppen, behaarten Hügeln, öffnet sich zu Durchblicken und schließt sich zu Umarmungen. Ausgangspunkt dafür sind die Mudras, Fingerhaltungen, die in Bella Angoras persönlichem Prozess des Anhaltens und der Entspannung Bedeutung gewonnen haben. Im Bild wirksam ist sowohl die Energie des Loslassens, als auch die Intimität und Sinnlichkeit, die im Prozess einer Selbstfindung notwendig sind. Was soll darauf folgen? Vielleicht der sensationelle Punkt, von dem die Künstlerin meint, dass dort das wahre Ich ganz unspektakulär vor sich hinplätschert.

Finding form.
Dr. Winfried Nussbaummüller

Hard to say, to which extent Duchamp’s disgust for the mannered art system and its staged silence, which is often explained due to an intellectual distance or a certain playfulness, can be seen in proximal relation to the refusal of Bella Angora. In both cases the basis for argumentation is the zero-point – the end of the retinal painting on the one hand and the leached out body on the other hand. So or so, the final statement is crabwise leading back to art.

Even though Bella Angora’s alias and her artistic practices are about performance and therefore clearly about certain role models, her „refuse to battle“ is not only coquetry, but exclusively existential. As the body is striking, the artist turns nolens volens towards the basics: the fundamental patterns of norms and restrictions that nonetheless question the free will in our life as well as the constant search for appreciation, love and sexuality. Based on the self that has been questioned in self-tests, Bella Angora is breaking and dismantling conventions, thus the moment of finding form can even be perceived in the spectrum of drawing, the most silent medium of her media production.

The manhole cover, quoted by Bella Angora with a circle and some geometric decor in the drawings from her „Refuse to battle“-cycle (2008), is for the viewer a subjective object of projection. Maybe it can be interpreted as a kind of shield, according to the almost Greek, ornamentally appearing star raster, meant to protect from rising wastewater or any other foul-smelling threat that comes from the depth. Perceiving the cover as a portal, an outlet or a diffusing layer to a hidden world that has been repressed either by deliberated decision or unconsciously, but at the same time it is as real as the superficial clean-shaved postcard pictures of the self, the assembled motifs on it can be read as some kind of indication for a conscious connection with life. Against the background of the radial raster, figurative elements are connecting by applying a completely different, namely a resolution-oriented way to draw: the girl is mingling with the horse and similarly, but less idyllic like the sugar-coated counter image, the woman with the rat.

Instead of a stupefying hanging on to a flimsy and morally polarizing straightjacket, through her picture language Bella Angora pleads for a world where the inside and the outside are saturated. The refusal of a fight – assonant in the title of the cycle, which for humans is probably as significant as for art people, epitomizes in her work as a comprehensive showing and approval of right- and backsides. Instead of estimation, the open challenge of truths and values is taking place: „it‘s all about experiences, experiences as such“.

The disintegration of surfaces Bella Angora starts with in the black & white drawings, and gets dilated in the red-white-black works. The artist develops this principle finally into a variegate extreme in her colourful rainbow-drawings. As an antithesis in order to the ether- or of a black & white threat, suddenly the whole colour spectrum is present, revealing a wonderful fresh pop- and hippie-aesthetic. The climate of the 70s with the courage for free love and all of its „hugging the world“ gets reflected in the even more open, more resolved outlines and details. The entire structure reminds of tree barks and therefore of something organic, something grown, that clarifies the depicted person as a part of the natural whole complete in itself, instead of being a competitor.

Relating to the docking sites for perception, this group of works stands in analogy to the grotesque mixed media performance „soft, slow & sweaty“. The catchy clichés of a fairytale world, which is completely removed from a present time, used by Bella Angora in this project, is definitely permitting a similarly high potential for identification as the esoteric soaked range of colours. The seeming deconstruction demonstrates one‘s readiness for an ideological dissolution of borders. In search of alternatives to stereotype thinking regarding the art business or a career – which is merely based on rivalry – the fusion of shapes allows the artist to creatively develop a maybe more blatant and more curative natural potential within the frame of drawing, in order to expose one‘s own capabilities.

With the subtle drawings of hands, produced for the workgroup „soft, slow & sweaty“ concerning colours, the pendulum returns to a reduction. In contrast to the detailed ink-pen works, which picture a multilayered and slow process that communicates the quality of slowing down, these drawings show a totally soft and relaxed, seated pencil stroke. A rhythmic grid of fine lines condenses into ankles, troughs, fingertips, and hairy hills. It opens itself for views and closes for embracement. Mudras, certain finger positions, that became an effective tool within the personal process of Bella Angora, are the initial point for this. The energy of letting go, as well as the intimacy and sensuality that is necessary for a process of self-discovery, is manifested in these pictures. So what comes next? Maybe the point of sensation where the true self just babbles completely unspectacularly, as the artist assumes.

Ursula Maria Probst

MAKE YOUR OWN LIFE
Ursula Maria Probst/Katalogtext 2011

Bella Angoras performative, multimediale Projekte „soft, slow & sweaty“ (2010) „stAR.T-performance.art.star.casting.show“(2008) oder „I refuse to battle“ (2008) führen unterschiedliche Aspekte ihres künstlerischen Oeuvres zusammen: Das Arbeiten in Video, Performance, Zeichnung, Objekt, Text, Sprache, Musik, Sound und Gesang.

Als Protagonistin von Performance-Strategien, deren Ausgangspunkt einerseits die eigene Textproduktion und andererseits offene performative Modelle bilden, durchbricht Bella Angora die Totalität eines ästhetischen Werks. In ihren Performances und Settings geht Bella Angora virulenten Themen in der Soziologie des Kunstfeldes und dessen Wettbewerbsstrukturen nach, erarbeitet Konzepte über künstlerische Praktiken, Arbeitsmethoden und stellt Überlegungen zu Identität und Autorschaft an und wie diese in das performative Agieren als Künstlerin einfließen.

In der Setzung ihres künstlerischen Alter Egos Bella Angora stellt sie dem „idealen Körper“ und der charismatischen Aura künstlerischer Existenz den „subversiven Körper“ des performativen Akts gegenüber.

In der Wahl der absurden Begriffskombination Bella Angora als Pseudonym greift sie mit politischer Ironie den nach wie vor im Kunstfeld kursierenden Schönheitsbegriff auf. Selbst die Ikone feministischer Kunst Louise Bourgeois bemerkte einst sarkastisch, dass es für eine Künstlerin von Vorteil ist, schön zu sein, um die Coverseiten der Kunstmagazine zu zieren.

Der gesungene, wie gesprochene Text spielt in den Performances von Bella Angora eine wichtige Rolle. Bella Angora ist selbst die Autorin der Texte für deren performative Übersetzung sie verschiedene Methoden der Inszenierung und Aufführung durch den Sprechakt, der Gesangsperformance, Einspielungen von Aufnahmen mit Soundeffekten oder Computerscreens mit Textpassagen anwendet. Unterschieden werden können dabei Texttypen wie Skripts, Instruktionen, Fragestellungen gegenüber den MitakteurInnen und Songtexte. Das Schreiben ihrer Texte verbindet Bella Angora einerseits direkt mit ihren künstlerischen Performances, andererseits funktionieren die Texte und Soundkompositionen ihrer Songs autonom. Kritische Regungen gegenüber Geschlechterkonstruktionen im Kunstbetrieb, genderpolitisches Aufbegehren und die Hinterfragung hoch in Konjunktur stehender Liebes- und Beziehungskompetenzen werden in lyrischen Songtexten reflektiert. In der Performance als ästhetisches Prinzip entwickelt der Gesang wiederum eine eigene Logik durch seinen Rhythmus als musikalischer Text. Den performativen Akt setzt Bella Angora als emanzipatorische Handlung, als feministische Position zur Geschlechterpolitik, als Widerstand gegen die von Medien der Populärkultur und Werbung produzierten gesellschaftlichen Normvorstellungen.

Das Engagement beschränkt sich allerdings nicht nur auf den Akt der Performance. Wie die Performance-Theoretikerin Barbara Clausen in ihrer Publikation „After the Act. Die (Re)Präsentation der Performancekunst“ (2006) ausführt, funktioniert Performancekunst nicht als authentisches Erleben, sondern besteht im fortlaufenden Prozess durch ein Wechselverhältnis zwischen Ereignis, Medialisierung und Rezeption. In dem Video zu „soft, slow & sweaty“ (2010) ist zu sehen wie Bella Angora die Methode von geskripteten Performanceabläufen hier nochmals auf der Metaebene des Subtextes aufgreift. In der Übertragung auf das Videoformat wiederum kommt es zu einem Akt des Transkribierens eines Live-Events, der durch die zusätzliche Montage von Bildmaterial, Überblendungen und experimentelle Schnitttechniken nun als Artefakt funktioniert und sich dadurch von einer Dokumentation unterscheidet. Die Performancekunst erfährt hier jene zuvor angesprochene Medialisierung.

Als mixed-media Performance basiert „soft slow and sweaty“ auf der Erzählstruktur von Märchen. Das Märchen und dessen archetypischen HeldInnen als Synonyme für die Moral oder Amoral kultureller Übertragungen werden von Bella Angora einer Dekonstruktion unterzogen. Der Kunst wird durch die populäre Kultur der Rang abgelaufen, Mythen zu schöpfen. Bella Angora hingegen performt als weiße Prinzessin im Ballerinalook, deren weiße Visage durch eine Maske bedeckt ist. Die performative Darstellungsform der Maskerade wählt sie, um Szenarien im Kampf um eine selbstbestimmte Existenz im Hier und Jetzt auf einer fiktionalisierten, bildlichen Ebene als psychische Konflikte durch eine entsprechende Dramaturgie zur Darstellung zu bringen.

Zu Beginn ist das Ziffernblatt des Londoner Big Ben eingeblendet, das Ticken der Uhr und das Läuten des Weckers konfrontiert uns damit, die Zeit läuft, nicht bloß die der Performance, sondern die Lebenszeit. Bella Angora schreckt aus dem Schlaf hoch und wird von zwei Lakaien in weißen Perücken angekleidet, die Rückansicht des einen zeigt ein P als Symbol für „past“, der andere trägt ein F für „future“ – sie verkörpern Vergangenheit und Zukunft.

Dazu eingespielt werden Soundeffekte mit Textphrasen wie „neither in the past, nor in the future“ oder „Let me be, let me be in the moment“ und zeugen von einer poetischen Logik. In der performativen Installation von „soft, slow and sweaty (once upon a time)“ (2010) wird durch das Einziehen einer Wand klar die Grenze des Territoriums zwischen Publikum und Performance markiert. Der Live-Akt ist durch Gucklöcher für das Publikum zugänglich und spielt mit visuellen Effekten und Voyeurismen. Bella Angora thematisiert damit den zunehmenden Hang zum Imaginativen und Affektiven in unserer Medienkultur.

Als Künstlerin betreibt Bella Angora Analysen gegenüber unserer auf Effektivität ausgerichteten Gesellschaftsstrukturen, sowie gegenüber den psychischen Konsequenzen unserer realen und virtuellen Getriebenheit durch Zeit und Raum. Die Performance gestaltet sich zu einer Art verkörperten Diskurs, durch den das Private für eine Verwandlung als (Gegen-)Öffentlichkeit verfügbar gemacht wird. Wie es die Autorin Marlene Streeruwitz unlängst pointiert formulierte, bedeutet Freiheit vor allem harte Arbeit.

Eine Ästhetik minimalistischer Installationskonzepte dringt in die reduzierte Gestaltung des Settings im puristischen Weiß, eine Schaukel und zwei Sofas bilden das Interieur. Bella Angora reaktiviert hier eine Art von Salonkultur, eingesponnen in Projektionen, die unter anderem diverse Glücksverheißungen stimulierende Bilder von Küssenden aus der Medien- und Werbebranche oder Aufnahmen von dem Himmel entgegen schaukelnden Kindern zeigen. Das Rampenlicht in dem Bella Angora auf der Schaukel zwischen „Vergangenheit“ und „Zukunft“ hin und her schwingt, bildet psychedelische Lichteffekte einer auf- oder untergehende Sonne. Die gegen die Wand projizierten Bildmedien schaffen als Bühnenbild eine „Mise en scènce“ Situation, die wiederum in der Performance durch konkrete Gesten von Bella Angora durchbrochen wird. In die Choreographie der Performance „soft, slow & sweaty“ von Bella Angora fließen auch Backstage-Szenen ein, die demaskierte Künstlerin rezitiert das Skript und gerät in einen Redefluss, der sich zu einem Stimmengewirr auftürmt.

In der performativen Praxis von Bella Angora sind visuelle, auditive und räumliche Parameter eng aufeinander bezogen. Mit elektronischer Populärmusik als Hort emotionaler Befindlichkeiten und Freiheitsversprechen tritt Bella Angora in einen intellektuellen Schlagabtausch. Die Lyrik ihrer Songs transportiert keine leichte Prosa, sondern läuft in der Wortwahl immer auf eine existentielle Pointe zu.

Gegenüber dem Ephemeren der Performance entwickelt Bella Angora durch ihre Songs eine Konstante, bezieht in ihre Kompositionen unterschiedliche Musikgenres von Pop, Funk über Gothik bis Electro Clash und experimentiert mit Schlagermelodien: „Träume, Wünsche und Visionen mutieren ungefragt zu Illusionen“. Gegenüber einer melodiösen Behaglichkeit des Sounds werden in den Texten scharfe, riskante Konturen mit politischem Savoir Vivre gezeichnet.

In ihren Performances präzisiert Bella Angora wie Emotion und Gefühl durch spezielle Techniken produziert werden. Nicht nur inhaltlich, sondern durch ihren Umgang mit verschiedenen Medien. Dissidentes Denken, Querverweise auf theoretische Quellen, die Verknüpfung mit Liedern, die legendäre Songs der sexuellen Befreiung wie „J’taime“ von Serge Gainsbourg/Jane Birkin mit lyrischen Texten zur Befreiung des Selbst vom Zwang der romantischen Vorstellung von Zweisamkeit transformieren, bewirken eine enorme Verdichtung. Vieles was an Bella Angoras Texten konzeptuell durchdacht ist, verdankt sich ihrer überzeugenden Einverleibung von Details über kulturelle Mechanismen unserer emotionalen Erfahrungen, die sie dekonstruiert und rekapituliert.

In der Wissenschaftszeitschrift „Psychology of Aesthetics, Creativity and the Arts“ haben die US-Forscher C. Nathan DeWall, Richard Pond Jr., Keith Campbell und Jean Twenge von der Universität Kentucky eine Studie darüber veröffentlicht, wie sich die Texte von Popsongs zwischen 1980 und 2007 inhaltlich veränderten. Die Ergebnisse von „Tuning in to psychological change: Linguistic markers of psychological traits and emotions over time in popular U.S. song lyrics“ sind ernüchternd, allerdings wenig überraschend. In den Texten gibt es jetzt zwar mehr Wörter, doch fokussieren sich die Inhalte um das Ich und die eigenen Gefühle, wohingegen soziales Verhalten aufgreifende Lyrics zunehmend in den Hintergrund rückten. Die Forscher fassten zusammen: „Die Ergebnisse zeigen, dass es notwendig wäre, sich näher mit der Frage zu beschäftigen, inwiefern Kulturprodukte soziokultureller Umfelder dabei helfen können, den kulturellen Wandel in psychologischen Prozessen zu verstehen.“

Es gibt Künstler, die ganze Generationen inspirieren und diese maßgeblichen Künstler sind nicht immer die in der Welt der Museen und Messen am meisten vertretenen, erklärte Daniel Birnbaum, nachdem er zum Kurator der Venedig Biennale 2009 berufen wurde. Der Künstler oder die Künstlerin als Outsider, Hipster, Spontangeist, Genealoge, Diskursintensivierer oder Diskursverweigerer? Der Kunstbetrieb profitiert noch immer von dem Image selbst bestimmt agierender Personen.

In ihren Projekten „stAR.T“ (2008) oder „I refuse to battle“ (2008) hinterfragt Bella Angora kritisch, wie der Künstler oder die Künstlerin Gefahr läuft selbst von der Populärkultur dadurch, dass Erfolg und Wettkampf zählen, konsumiert zu werden.

Bella Angora greift brisante Themen des Kunstbetriebs auf: Rivalität, Powerplay, Konkurrenz, notorische Rankings, Narzissmus, Egoismus.
„I refuse to battle“ kann laut Bella Angora ebenso betrachtet werden als ein Statement gegenüber Machtkämpfen, Kompromisslösungen, als ein Herausfiltern der eigenen Essenz in der Konfrontation mit dem anderen: Angst zu versagen, Leistungsdruck, Selbstüberschätzung, Existenzangst und damit in Zusammenhang stehende Befindlichkeiten. Bella Angora führt so einen politischen Diskurs über eindimensionale Zuschreibungen von Gefühlen wie Neid, Gier, Hass, Liebe, Angst. Insofern gestaltet sich „I refuse to battle“ als Konzept zu einem Selbstversuch, um Muster zu durchbrechen, sich als Künstlerin gerade durch die radikale Thematisierung des Wettbewerbgedankens zu positionieren.

Das Projekt „stAR.T“ (2008) dekonstruiert in der Wahl der ästhetischen Codes die Medienrealtiät von Casting-Shows. Gegenüber der Attributierung von Star-Qualitäten, setzt Bella Angora absurde Statements der beteiligten KanditatInnen, exzentrische Verhaltensweisen und Lebensstile. In ihre Castingshow baut sie visuelle und akustische Effekte oder Zwischeneinspielungen eines orgiastischen Wettstöhnens ein. Im Voting tritt keine Jury an, sondern Bella Angora, die wie in der Arena der Gladiatoren den Daumen nach unten drückt.

Damit nahm Bella Angora in ihrer Performance vorweg, was 2009 bereits Realität werden sollte, nämlich den Einzug von Casting Shows in den Kunstbetrieb. Gleichzeitig existiert gerade im Betriebssystem Kunst die Gefahr zur Tabuisierung jeglicher Wertung. Alles das was künstlerisch oder argumentativ als Differenz, Widerspruch, Konflikt oder Scheitern, also irgendwie negativ wirken könnte, läuft Gefahr harmonisiert, nivelliert, ignoriert oder gar diskriminiert zu werden.

Der britische Sammler und Künsthändler Charles Saatchi wollte mit einer TV-Show nach dem Modell von Casting Shows den neuen britischen Superkünstler entdecken. Die Talentshow lief im Herbst 2009 im Fernsehsender BBC 2 l. Unter dem Slogan „Scaatchi’s Best of British“ konnten sich KünstlerInnen ab 18 Jahre beteiligen. Die sechs besten sollten in der Endrunde in einen Intensivkunst-Crashkurs treten. Als Gewinn lockte die Teilnahme an einer Saatchi-Ausstellung in St. Petersburg. Gegenüber den britischen Medien argumentierte Saatchi: „Jede(r) mit einem neuen kreativen Ansatz soll teilnehmen. Denn niemand kann wissen, wo der nächste Kunststar auftaucht“. Die Argumentation des Produzenten Peter Date hingegen lief darauf hinaus, dass man so zeitgenössische Kunst fordern und einen Blick hinter die Kulissen wagen wollte. Das von den Medien erstellte Profil von Saatchi als Förderer und Spürnase wird von der Kunstkritik als zu kommerziell ausgerichtet kritisiert. In den Feuilletons heiß angekündigt, wurde über den Verlauf nicht weiter detailliert berichtet. Auch den Absurditätsfaktor einer solchen Castingshow hat Bella Angora bereits vorweggenommen.

In die Performances von Bella Angora fließt das Begehren ein, relevante Fragestellungen zur eigenen Haltung gegenüber dem Kunstsystem und dem Lebensstil zu artikulieren. Autonomie und alternative Handlungsmodelle, künstlerische Haltungen wie „Skepsis“, „Produktionsverzögerung“ oder „Scheitern“ werden zu Themen. Komplexe und widerständige Praktiken koppelt Bella Angora an eine Kunstpraxis, der eine Unbestechlichkeit und Unabhängigkeit zugesprochen werden kann, die mit dem Versprechen von Authentizität einhergehen.

Paradoxerweise ist es gerade auch dieses Authentizitätsmoment, dass im Zentrum eines Marktbegehrens steht. Das Kunstsystem verlangt mittlerweile nach alternativen Produktionsmodellen. Den Entzug und Rückzug von Regeln, die das Betriebssystem Kunst vorgibt hat Susan Sontag in „The Aesthetics of Silence, Styles of Radical Will“ (2002) als Folge eines radikalen Willens thematisiert.

MAKE YOUR OWN LIFE
Ursula Maria Probst/Katalogtext 2011

In the performative, mixed media projects „soft, slow & sweaty“ (2010), „stAR.T (2008) or „I refuse to battle“ (2008), Bella Angora combines several aspects of her artistic oeuvres: video works, performance, drawings, objects, text, language, music, sound and singing.

As Bella Angora is a protagonist of performative strategies, whose origin is the creation of her own text material as well as open performative models, she is breaking the totality of an aesthetical work. In her performances and settings Bella Angora focuses on virulent subjects within the sociology of an art world and its competitive structures. She compiles concepts about artistic practices, working methods and makes observations regarding identity and authorship and how this can influence the artist’s acting.

Bella Angora contrasts the „ideal body“ and the charismatic aura of the artistic existence with the „subversive body“ of the performative act by inventing an alter ego. Using the absurd combination of the terms „Bella Angora“ as a pseudonym with political irony, she picks up on a concept of beauty that is still present within the field of art. Even the icon of feminist art Louise Bourgeois once sarcastically mentioned that it is advantageous for a female artist to be pretty when adorning the cover pages of art magazines.

The sung and spoken text plays an important role in Bella Angora’s performances. Bella Angora herself is the author, and for the performative transmission of the texts she is using different staging methods like the speech act, the singing performance, the use of recordings mixed with effects or computer screens displaying text passages. Different types of text-like scripts, instructions, questions to other actors involved and song lyrics can be distinguished. On the one hand the written lyrics of Bella Angora are a direct part of her art performances, on the other hand the texts and sound compositions function autonomously within the frame of her songs. In her lyrics she reflects critical movements in relation to gender constructions in the art scene, gender political rebellion and the issue of love and relationship competences that are highly subjunctive. In the performance – as an aesthetic principle – logic of its own arises with the singing, due to the rhythm of a musical text. For Bella Angora, the performative act is an emancipating action, a feminist position regarding gender politics, a resistance against standardized conceptions that the media industry is transmitting in popular culture and commercials.

But the engagement transgresses the purely performative act. As the performance theorist Barbara Clausen mentions in her publication „After the Act. The (Re)Presentation of Performance Art“ (2006), performance art is not only an authentic experience, but is furthermore turning into an ongoing process through the correlations between event, mediatisation and reception. The video „soft, slow & sweaty“ (2010) shows how Bella Angora revives the method of scripted performance procedures on the meta-level of subtext. When transferring into a video format, a kind of transcription of the live event is taking place. Through added footage, cross-fades and experimental cutting techniques, the video functions here as an artefact in itself and therefore differs from a documentation. In this case the performance art is mediatised like mentioned previously.

The mixed media performance „soft, slow & sweaty“ is based on the narrative structure of fairytales. The fairytale and its archetypal heroines/heroes represent the moral or amoral social phenomena, which gets deconstructed by Bella Angora. Regarding the playing on myths, popular culture is more and more overtaking art. But Bella Angora stages herself as a white princess in a ballerina outfit with a white painted face covered with a mask. She is using this displayed masquerade to express certain scenarios that appear, when fighting for a self-determined existence in the here and now, on a fictional and visual level, which shows the related psychological conflicts by using a corresponding dramaturgy.

At the beginning the dial of Big Ben in London is shown. The ticking and the ringing of the bell confronts us with the fact that time is running – not only in the performance, but also in regard to our lifetime. The alarm clock triggers Bella Angora´s rude awakening, then two flunkies dress her. The rear view of them shows a P for „past“ and an F for „future“ as they are symbolizing these two aggregates of time. Parallel to this, text phrases – distorted by sound effects – get played and sentences like „neither in the past, nor in the future“ or „let me be, let me be in the moment“ are a significant indicator for a poetic logic.

In the performative installation of „soft, slow & sweaty“ (2010) a built-up wall marks the territorial borders between audience and performance. The live act can be watched by gazing through peepholes, therefore playing with visual effects and voyeurism. In this sense Bella Angora addresses the increasing trend to the imaginative and the affective within our media culture.

In her work Bella Angora analyzes social structures that mostly focus on effectivity, as well as psychological consequences of our real and virtual driveness through time and space. The performance becomes a kind of embodied discourse that enables a transformation of the private into something (contra) public. Freedom means mainly to work hard, as the author Marlene Streeruwitz recently expressed plainly.

A minimalistic installation concept characterizes the aesthetic of the reduced formatted setting in purist white. The interior is a swing, a couch and a bed. Bella Angora is reactivating some kind of „salon culture“, embedded in projections that are meant to stimulate diverse promises for happiness by showing pictures of kissing couples or video sequences of children who seem to swing into heaven.

The spotlight in which Bella Angora is swinging on the swing between „past“ and „future“ is creating psychedelic light effects of a rising or setting sun. The visual media that are projected against the wall create a stage design in the manner of a „mise en scène“ situation, which Bella Angora breaks in the performance with corresponding behaviour.

The choreography of the performance „soft, slow & sweaty“ includes also backstage scenes, where the unmasked artist is reciting the script that finally ends up in a flow of words and mutates into a chaotic voice sculpture.
In Bella Angora’s performative practice, visual, additive and spatial parameters are closely related to each other. With electronic pop music – as a shelter for emotional sensitivities and promises for freedom – Bella Angora starts an intellectual volley of punches. It is not banal prose that gets transmitted through the song lyrics, the wording always ends in some existential pointe. In relation to the ephemeral quality of performance, Bella Angora’s songs develop a constant line, using different music styles like pop, funk, gothic or electro clash in her compositions and experimenting with hit melodies: „Dreams, wishes and visions mutate into illusions without asking“.

In contrast to the melodic cosiness of the sounds in the lyrics, sharp and risky contours with a good portion of political “savoir vivre” are drawn. In her performances Bella Angora refines how emotion and feeling can be triggered through practice specific techniques – thus concerning the contents as well as the way she handles different medias.

A dissident way of thinking, cross-references to theoretical sources and the way she is linking songs like „Je t’aime“ (Serge Gainsbourg/Jane Birkin) – the legendary song about sexual liberation – with lyrics and text material about self-liberation in relation to the romantic idea of togetherness – has an enormous compressing effect.

The conceptual conclusions in Bella Angora’s texts are mainly results of her intense way to incorporate details about cultural mechanisms concerning emotional experiences that get deconstructed and recapitulated by the artist. The U.S. researchers C. Nathan DeWall, Richard Pond Jr., Keith Campell and Jean Twenge from Kentucky University published in the science magazine „Psychology of Aesthetics, Creativity and the Arts“ a study about the way, how lyrics in pop songs changed between 1980 and 2007. The results of „Tuning in to psychological change: Linguistic markers of psychological traits and emotions over time in popular U.S. song lyrics“ are quite sobering, but actually not really surprising. Nowadays more words have been used in texts, but the focus lies mostly on the self and one’s own feelings. Whereas lyrics that thematise social behaviour has been fading more into the background.
The scientists summarized: „The results show that it would be useful to focus more on the question, how cultural products of socio-cultural surroundings can provide a better understanding of cultural changing´s in psychological processes.“

After becoming the curator of the Venice Biennial in 2009, Daniel Birnbaum explained that some artists are an inspiration for whole generations, but many times these are not the artists that can be found in the world of museums and in art fairs.

The artist: an outsider, hipster, impulsive character, genealogist, someone who is intensifying or refusing discourses? The art world still benefits from the image of self-determined people. In her projects „stAR.T (2008) or „I refuse to battle“ (2008) Bella Angora questions critically how artists are facing the risk to be consumed by popular culture due to the fact that success and competition are rated highly.

Bella Angora picks up provocative topics of the art market: rivalry, power games, competition, notorious rankings, narcissism and egoism. Bella Angora explains that „I refuse to battle“ can be perceived as a statement regarding power games and compromise. It ‘s about filtering out one’s own essence when being confronted with others, about the fear of failure, pressure, self-overestimation, existential fear and different sensitivities that come along with all this. Bella Angora opens up a political discourse about the one-dimensional classification of feelings like envy, greed, hate, love, and fear. In so far „I refuse to battle“ as a conceptual statement is a self-experiment, because the artist is positioning herself exactly through thematising the competition in a radical manner. Her intention is to break her self-related patterns.

In the project „stAR.T“ (2008) the media reality of casting shows gets deconstructed. Absurd statements of the competitors, eccentric manners and lifestyles meet the excessive focusing on star quality attributes. Different visual and acoustic effects or interim recordings of an orgiastic moaning are significant elements in the casting show. There is no jury as Bella Angora herself votes by using the classical thumb up/down gestures, which remind of an arena with gladiators. With her show she had been ahead of something that became reality in 2009: the entry of casting shows into the art world. At the same time classifications are mostly taboo in the art system. Everything that could be an artistic or argumentative difference, contradiction, conflict or failure – ergo negatively connoted – many times gets harmonized, levelled, ignored or even discriminated.

The British collector and art dealer Charles Saatchi wanted to find the next British super artist with his TV casting show. BBC 2 I broadcasted the show in autumn 2009. Under the slogan „Saatchi‘s Best of British“ artists over 18 years could apply. The top-six-ranked should get an intense art crash course and the winner should have the possibility to participate in a Saatchi exhibition in St. Petersburg. Towards the British media Saatchi argued: „Everyone with a new, creative approach is welcome to apply. Because nobody knows where the next art star will arise.“ The argumentation of the producer Peter Date was that a show like this is meant to challenge contemporary art and to take a peek behind the scenes. But the profile of Saatchi as a promoter with a good nose – made up by the media – was criticized from art critics for being too commercial orientated. After the first announcements in the Feuilletons, no more detailed information was published.

Also in relation to the absurdity of such a casting show Bella Angora had been ahead with her concept. In Bella Angora’s performances it is highly important to ask relevant questions regarding one’s own behaviour within the art world and its lifestyle. Autonomy and alternative models for action, artistic attitudes like „scepticism“, „delays“ or „failure“ are thematised. Bella Angora is oscillating between complex and resistant attitudes and an art practice that certainly contains characteristics like incorruptness and independence.

Paradoxically it is also exactly this certain authenticity that seems to be of high value within the market. The art system is meanwhile asking for alternative production models. The refusal and the retreat of rules that come along with this system has been thematised by Susan Sontag in „The Aesthetics of Silence, Styles of Radical Will“ (2002) as a result of a radical will.

Stine Hebert

The Letting Go
by Stine Hebert, Curator, Copenhagen 2008

For Bella Angora 2008 has been a year formed by one conceptual statement: “I refuse to battle”. The artistic project driven by this agenda takes the shape of drawings, videos, objects and performances. But what does it mean to refuse to battle? And is that even possible?
Contemporary life in almost any part of the world somehow contains an inherent element of battling. Fighting for survival, for love, money, success and acclaim is in many ways the unconscious driving force of our lives. A mentality which is perhaps unavoidable as a human being, if one takes the outset in Charles Darwin’s evolutionary theory of “survival of the fittest”. But Bella Angora seems to be questioning the reasons and consequences of choosing these fighting manners in your personal and professional life. It is undeniably controversial to seemingly let go and pull oneself out of the game. Nevertheless, Angora pauses and raises the question of potentiality in this position. The controversial statement: “I refuse to battle” is in itself not a way of locating oneself outside the system. It is a way to ask questions and critically reflect upon this system.

Staging a close proximity

Angora operates within very familiar visual strategies as they allude to our excessive exposure in every day life to popular culture and commercial communication. Her aesthetics reference pop-music videos and in the performance part of “I refuse to battle” even includes a twisted cover version of Kylie Minogue’s hit song “Can’t get you out my head”. The music in Angora’s videos and performances is always highly seductive and ear catching as she makes use of its capacity to instinctively convey and initiate specific feelings in the audience. The banality of the lyrics in much pop music resembles the clear-cut statement: “I refuse to battle”. It is a way of communicating which appropriates the mercantile articulation of a message, as unmistakable, straightforward and ready to consume within a few seconds – similar to being confronted with a billboard advertisement driving through public space. The deliberate naïveté of the expression is a flirtation with mass media’s methods of communicating and representing reality. However, the content is not banal but it is intentionally presented as such.

It is interesting to unfold Angora’s method of representing herself as a female performer. An artist, who is always in the spotlight and insinuates to be telling us about the personal life of Bella Angora in her art works. First of all Bella Angora is not the artist’s real name but an alter ego. Take a moment to taste this name: Bella Angora. It ironically connotes something sweet, beautiful and soft, just like a puppy. Paradoxically, aggression and embarrassing emotions are none the less the point of departure in many of Angora’s art works. Her self representation therefore stresses the importance of challenging the apparent unmediated immediacy of Angora’s works and reminds us that they are ambiguous products of artistic strategies.

There is a strong element of feminist considerations present in the pieces but they are always presented with humour. “I refuse to battle” entails reflections on what it means to be a woman in the art world and in society in general – as an attractive female performer and a sexual object of desire. Angora plays on this and her performances often involve strong physical elements. In the performance piece for “I refuse to battle” she takes off her clothes in front of the audience while changing into a new outfit. This is yet another way to indicate that the audience is experiencing direct contact with Bella Angora. She seems to be claiming that nothing is hidden underneath as there is simply no need to go backstage to change when everything is already on display. This performative behaviour seduces the audience to unavoidably get the idea that we experience a 1:1 relationship with Bella Angora.

A self portrayal of universal topics

An entangled personal and artistic life has created the basis for much of Angora’s art. Since 2003 she was collaborating with artist Christian Falsnaes but following the exhibition project “Bella Angora vs. Christian Falsnaes” in 2007 they split up. The versus exhibition can be seen as a precursor to “I refuse to battle” as the two artists were competing to create the best art piece and hereby investigating the mechanisms of wanting to be the greatest and of rivalry on a professional and personal level. Dealing with the same issues and taking it a step further is Angora’s recent project stAR.T. StAR.T is an art cast show conceptualised by Angora. She has been travelling around Austria and held open auditions for both amateur and professional performers for her own art star show and hereby highlighted the absurdity of the aspiration in contemporary culture to be a star.

Angora uses her personal experiences to articulate and question common desires. Her concern with universal themes such as intimate relations and the concomitant issues of love, loss and new life somehow always situates Angora in the middle of it all. Instead of recording a contrast between the general subjects and the recurrent self-portraits, it appears to be a method to create a figure and thereby an effective way of communicating. The constant self exposure in fact makes it impossible to capture the identity of Bella Angora. This artistic persona can never be contained and by making us curious of this matter Angora once again seems to be pointing not at her but at the narcissism and uncritical adoration of icons in pop-culture in contemporary life.

“I refuse to battle” is not a confession. It is an experiment with a new agenda containing a provocative possibility to do things differently. It is a conceptual expression which is meant to create space for reflection and has on different occasions been followed by the sentences: “I’m not afraid to die”, “I’m not afraid to love”, and “I’m not afraid to live”. Refusing to battle is an attempt to find a new method for relating to the conventional structure of the battling mentality. A letting go which is necessary in order to rediscover.

Karlheinz Pichler

In und ausserhalb des performativen Tuns

von Karlheinz Pichler

Eine der wesentlichen Aspekte der Kunst aus der Zeit ist, dass sie das Kleid avantgardistischer Ismen abgelegt hat und von kontextuellen Fragestellungen und inhaltlichen Bezügen getragen wird. Die Dominanz abstrakter Theorien und rein strukturell-konzeptueller Entwürfe ist den poetischen und performativen Acts, den ereignis- und environment-bezogenen Konstellationen gewichen. Gerhard Richter meinte einmal: „Eines Tages werden wir keine Bilder mehr brauchen, wir werden einfach glücklich sein.“ Ob am Endpunkt des Performativen dieses Glück wartet, sei dahin gestellt.
„Statt sich auf die Prinzipien des ‚Werks’, der ‚Form’, der ‚Originalität’, der ‚Imagination’, des ‚Ausdrucks’ oder des ‚Wahrheitsvollzugs der Kunst’ zu stützen, wird Kunst zur ‚Performation’, zum ‚Ereignis’, zum ‚Spiel’ oder zur ‚Inszenierung’. Der Prozess der Avantgarde leitet so über zu einer radikalen Transformation der Kunst vom Werkhaften zum Performativen.“ (Paolo Bianchi in: Kunstforum Internantional, Bd. 152)

Bella Angora und Christian Falsnaes, die 2003 zu einer künstlerischen wie partnerschaftlichen Symbiose zusammengefunden haben, operieren mit ihren Produktionen sehr stark im Kanon des Performativen. Allerdings sind ihre häufig an sogenannten Off-Spaces stattfindenden Inszenierungen zumeist mit Videos, installativen Zeichnungen und Assemblagen aus Alltagsgegenständen angereichert. Die Performances werden quasi installativ ausgerichtet. Der Begriff „multimediale Konglomerate“ wäre für ihre Arbeiten denn wohl auch treffender. Angora, die mit bürgerlichem Namen Sandra Dorner heisst, und Falsnaes benützen dieses Medium des multimedialen Konglomerats als vermittelndes Reservoire, um Kunst in den öffentlichen und sozialen Raum zu tragen.

In den vergangenen Jahren sind eine Reihe von „Kompositionen“ entstanden, in denen sich verschiedenste Elemente aus Theater, Musical, Literatur, Film, Foto, Werbung, Alltagskultur, Installation und klassischer Kunst wie Zeichnung und Malerei zu Crossover-Systemen verschmelzen. Dass sowohl Angora als auch Falsnaes über die musikalische Schiene in die bildende Kunst vorgestossen sind, wird bei fast allen Aufführungen evident.

Das erste gemeinsame Werk des Duos, „Lolas Kellerbahn“, wurde 2003 anlässlich der Dada-Festwochen in einem riesigen Keller der Zürcher Sihlpapierfabrik aufgeführt. Der Besucher wurde damals mit unterschiedlichen Szenarien, die sich aus der Dunkelheit abhoben, konfrontiert. Szenarien, die das Dunkle und das Schöne der 1930er Jahre heraufbeschworen. Szenarien, in denen sich in der Porträtierung der 1930er Jahre als eine Umbruchs- und Aufsbruchszeitzeit auch die Bezüge zur Gegenwart brachen.

In der nachfolgenden Performance „Tarzan & Jane“ stützen sich Angora und Falsnaes auf die ikonografischen Stereotypen Tarzen und Jane ab, um gesellschaftliche und soziale Dissonanzen aufzuzeigen. Aufs Korn genommen werden die ignorante Haltung der Gesellschaft und die sozialen Missstellungen in Bereichen wie etwa Rassismus, Tourismus oder gegenüber von Geschlechterrollen und Geschlechterzugehörigkeiten. Die Weigerung von Tarzan und Jane, sich sozialen Normen und Werten unterzuordnen, gipfelt letztlich in einer Art Dschungelniederreissung, bei der Jane ihrem Geliebten resignierend eine dänische Flagge in den unzivilisierten Arsch steckt und diesen Akt mit einem melancholisch angehauchten Lied über Liebe und Leben überlappt.

Auch in den weiteren Gemeinschaftsproduktionen wie „Feel“, „Patterns“, „Texas“, „Alter Egos“ und „Stop Slavery“ geht es um Sozial- und Gesellschaftskritik, um Identitätsfindung, um die Auflehnung gegen eingefahrene Muster und Normen und um die philosophische Hinterfrageung von Begrifflichkeiten wie real und irreal. Die Arbeiten des Duos sind dabei stark persönlich gefärbt und speisen sich durch eigene Lebenserfahrungen. Es sind Plädoyers an den Betrachter, die gegebenen gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Realitäten, in denen man verhaftet ist, zu hinterfragen. Es sind Aufforderungen, vermeintlich fixe Lebenskoordinaten nicht als gegeben hinzunehmen und die Bereitschaft zu zeigen, Realitäten mitunter neu zu definieren.
Um ihre Botschaften rüberzubringen, bedienen sich Angora und Falsnaes auch gerne der Methoden der Werbestrategen. Das verleiht ihren Werken trotz ihrer ironischen Ernsthaftigkeit vielfach groteske, ja teils auch kitschige Züge.

Neben diesen performativ-szenischen Operationen sind Angora und Falsnaes in der jüngsten Vergangenheit immer stärker dem Medium Bild und Zeichnung verfallen. Auch hier sind die Themen dieselben: Die Abgrenzung des Ichs von der Masse und dem Mainstream, die Auflehnung gegen festgefahrene Strukturen und Muster, die Neuerfindung des Ichs und der Umwelt. Dabei verstehen es die beiden auf zugleich verführerische wie irritierende Weise, die Zeichnung zu einem Wahrnehmungserlebnis werden zu lassen, in dem sie vertrauten Grundhaltungen immer wieder neue Richtungen einflössen. Beide bauen Texturen als Bild- und Kommunikationselemente ein, aber während Angoras Bilderzyklen stark collagiert und mehrschichtig sind, verlässt sich Falsnaes ganz auf die Stärke der Linienführung.

Als eine Art Quintessenz des teambezogenen Schaffens angora’scher und falsnaes’scher Ausprägung darf die jüngste Ausstellung „Deplaced“ des Duos in der Galerie Stalke in Kopenhagen (Dänemark) bezeichnet werden. Multimediales Crossover verbindet sich hier zu einem interdisziplinären Gesamtkunstwerk. Unter Zuhilfenahme verschiedenster Medien und technisch breit angelegt, betreten Angora und Falsnaes hier ein Versuchsfeld, dass den Postionierungen des Individuums Mensch in einer gruppendenkenden, Werte- und Normen-übergreifenden und Normen-übernehmenden Gesellschaft gehörig auf den Grund geht.

Auch wenn die Arbeiten der beiden Kunstschaffenden im Grundton sämtlich ironisch und humorvoll daher kommen, tönt stets auch ein etwas melancholischer Klang über ihnen. Das hängt wohl damit zusammen, dass beide Teile des Duos Angora/Falsnaes immer wieder ums nackte Überleben kämpfen mussten. Dieser existenzielle Grundton tickt wie ein seismografisches Pendel. Der Betrachter kann diesen granularisierten Odem auf unbewusste Weise aufnehmen, – so er nicht völlig abgestumpft ist.

Karlheinz Pichler ist Kurator und Kunstkritiker. Er lebt und arbeitet in der Schweiz und in Österreich.